Ulrich Retzki Berlin Kanzlei für Versicherungsrecht

Firmen­inhalts­versicherung

Aufsatz zur Firmen­inhalts­versicherung

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Lassen Sie mich statt abstrakter Ausführungen über Firmen­inhalts­versicherung bzw. Geschäfts­versicherung über folgenden Fall berichten, bei dem zudem auch eine Klein-BU-Versicherung bestand. Ich stelle den Fall betont gerafft dar, und dies in geringfügig abgewandelter Form.

Es handelte sich um einen recht komplizierten Versicherungsfall, bei dem Aspekte des Zustandekommens des Vertrages, der Beschreibung des zu versichernden Risikos, der Wissenszurechnung, der Anfechtung und eines möglichen Verstoßes einer möglichen Verletzung von Obliegenheiten in einem nicht alltäglichen Kontext standen.

Der Kläger war im Begriff ein „Sport-Café“ zu eröffnen und wollte Versicherungsschutz für den Inhalt dieses Geschäftsbetriebes und für das Risiko einer Betriebsunterbrechung. Er wandte sich an ein Vermittlungsbüro, das jedenfalls nicht nur für den beklagten Versicherer, sondern für mindestens drei andere Versicherer, tätig war. In beiden Instanzen blieb bis zuletzt absolut streitig, ob es sich um einen Agenten oder Makler handeln solle.

Der Kläger benötigte umgehenden Versicherungsschutz, da die Geschäftseröffnung kurz bevorstand. Deswegen bat er seinen Vermittler, für kurzfristige Deckung zu sorgen. Der Versicherer war – was jedoch in Details streitig blieb – grundsätzlich bereit, vorläufige Deckung zu gewähren. Nach einem vorausgegangenen Telefonat erbat der Vermittler mit Fax vom 13. Juli 20…. die Bestätigung der Deckung ab 25. Juli 20….. Diesem Fax fügte der Vermittler eine „Aufstellung“ bei, die Aussagen zur Beschaffenheit des Objektes traf. Noch am selben Tag rief der zuständige Mitarbeiter des Versicherers beim Vermittler an und bestätigte – auch dies bleib streitig – die Deckung ab 25. Juli 20….. Hiervon setzte der Vermittler den Kläger noch am selben Tag per Fax in Kenntnis.

Das Geschäft wurde eröffnet. Danach erlangte der Vermittler Kenntnis von der Tatsache, dass die Beschaffenheit des versicherten Objektes in einem Punkt nicht so war, wie sie laut der von ihm gefertigten „Aufstellung“ sein sollte. Und zwar war eine bestimmte Notausgangstür des Lokals nicht so gut gesichert, wie es die Aufstellung vorsah. Hiervon setzte der Vermittler den Versicherer mit Fax und Brief vom 15. September 20… in Kenntnis. Der Zugang sowohl des Faxes als auch des Briefes blieb bis zuletzt bestritten.

Dem Kläger ging die Police nebst AVB, darunter den AERB des Versicherers, zu. In der Police wurde wortwörtlich auf eine Sicherungsbeschreibung vom 17. Juli 20…. Bezug genommen.

Am 26. November 20…. wurde das Geschäftslokal von unbekannten Einbrechern leer geräumt und es schloss sich eine längere Betriebsunterbrechung an.

Der Versicherer berief sich aus verschiedenen Gründen auf Leistungsfreiheit. Wir erhoben Klage. In einem Schriftsatz vom 19. Februar 20… erklärte der Versicherer die Anfechtung des Versicherungsvertrages wegen arglistiger Täuschung.

Das Landgericht vernahm unter anderem den Vermittler als Zeugen. Er sagte aus, bei der Fa., für die er tätig gewesen war, handele es sich um eine Mehrfachagentur. Das Landgericht gab der Klage des Versicherungsnehmers nach Beweisaufnahme durch Teil- und Grundurteil über den Entwendungsschaden statt. Über den Betriebsunterbrechungsschaden wurde nur dem Grunde nach entschieden. Die Berufung des Versicherers blieb beim Berufungsgericht nach mündlichen Verhandlungen erfolglos. Anschließend wurde über die Höhe des Betriebsunterbrechungsschadens beim Landgericht ein Vergleich erzielt.

Für die Entscheidung zu Gunsten des Versicherungsnehmers waren folgende Gründe ausschlaggebend:
Die fragliche Tür, durch die der Einbruch erfolgte, war zwar nur eintourig und nicht zweitourig verschlossen. Dieser Fehler der Angestellten ist jedoch dem Kläger nicht anzulasten, weil die Angestellte – aus konkreten Gründen - keine Repräsentantin war, d.h. der Kläger sich ihr Verhalten nicht zurechnen lassen musste. Ferner war ein eigenes Verschulden dem Kläger nicht anzulasten ist. Der Kläger hatte seine Mitarbeiter gut genug instruiert. Eine Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzung gemäß § 7 AERB schied daher aus.
Auch eine Leistungsfreiheit wegen Verstoßes gegen eine Obliegenheit gemäß § 7 AERB – durch unterlassene Anbringung zusätzlicher Sicherungen an der Notausgangstür – lag nicht vor. Unter anderem konnte sich der Versicherer hier gem. § 6 Abs. 1 S. 3 VVG a. F. auf Leistungsfreiheit nicht berufen, weil es sich um eine Obliegenheit vor dem Versicherungsfall handelt und er jedenfalls den Versicherungsvertrag nicht binnen eines Monats nach Kenntnis der von ihm behaupteten Obliegenheitsverletzung gekündigt hat.
Im Übrigen scheiterte eine Berufung des Versicherers auf die „Sicherungsbeschreibung vom 17. Juli 20…“ an Folgendem: Anlässlich seiner Zeugenvernehmung sagte der Vermittler, es gäbe einen Agenturvertrag, er sei nicht Makler sondern Mehrfachagent. Somit kam bereits am 13. Juli 20… eine feste Deckungszusage und damit ein Versicherungsvertrag in Form vorläufiger Deckung rechtsverbindlich zu Stande, wenngleich erst mit Wirkung ab dem 25. Juli 20…. Die besagte Sicherungsbeschreibung konnte aufgrund dessen nicht Vertragsinhalt sein. Der Umstand des Beginns des materiellen Versicherungsschutzes erst am 25. Juli 20… änderte nichts daran, dass dieser Vertrag bereits am 13. Juli 20…. verbindlich geschlossen werden konnte und wurde.
Hilfsüberlegung: Selbst wenn unterstellt würde, der Vermittler sei Makler und ein Vertrag über vorläufige Deckung wäre am 13. Juli 20… noch nicht zu Stande gekommen, so ergäbe sich Folgendes: Eine Sicherungsbeschreibung vom 17. Juli 20… wäre nicht Gegenstand des Versicherungsantrages des Klägers vom 13. Juli 20…. Folglich würde die Police in diesem Punkt vom Antrag abweichen, ohne dies ausreichend kenntlich zu machen, mit der Folge der Unwirksamkeit nach Maßgabe des § 5 VVG a. F.

Die schriftsätzlich erklärte Anfechtung des Versicherers konnte nicht zur Nichtigkeit des Versicherungsvertrages führen. Mit der Anfechtung warf der Versicherer seinem Kunden vor, dieser hätte wohl von Anfang an gewusst, dass die Notausgangstür nach Maßstäben des Versicherers nicht ausreichend gesichert würde und er hätte auch gewusst, dass bei der tatsächlichen Beschaffenheit der Tür der Versicherer die Deckung des Risikos nicht übernommen hätte. Hierauf jedoch musste nicht näher eingegangen werden, da die Anfechtung jedenfalls außerhalb der Jahresfrist des § 124 Abs. 1 BGB und damit verspätet erklärt wurde. Denn der Vermittler war als Agent zu qualifizieren und hatte zur Zeit der Anfechtung bereits seit über einem Jahr Kenntnis der Sachlage. Insoweit war der Vermittler als Agent „Auge und Ohr“ des Versicherers.
Soweit es auf die Eigenschaft des Vermittlers als Agent ankommt, änderte sich an dieser Qualifizierung nichts dadurch, dass er Mehrfachagent war. Denn aus dem Prozessstoff ergaben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass er beim Abschluss des Versicherungsvertrages der Parteien außerhalb des Agenturvertrages gehandelt hätte.

Ulrich Retzki
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Rechtsanwalt